Who shut shit down? We shut shit down!

Das Aktionswochenende von Ende Gelände vom 19.-24. Juni 2019 war ein Wochenende der Superlative. 45 Stunden lang wurde die Kohlezufuhr zum Kraftwerk Neurath blockiert. 2.000 Aktivist*innen besetzten den Tagebau Garzweiler. Zwischen 5.000 und 6.000 Menschen trugen in einer Massenaktion Zivilen Ungehorsams den Kampf um Klimagerechtigkeit in die Orte der Zerstörung – das rheinische Braunkohlerevier.

Durch vier große und mehrere kleine Blockadepunkte war die Versorgung der Kraftwerke von RWE durch Kohlezüge vollständig gestoppt. Im Rahmen eines gemeinsamen Protestwochenendes gingen 40.000 Schüler*innen in einer internationalen „Fridays for Future“ (FfF) Demonstration in Aachen auf die Straße. 7.000 Menschen, darunter tausende FfF und EG-Aktivist*innen, zogen am Samstag in das von der Abbaggerung bedrohte Dorf Keyenberg und setzten mit dem Bündnis „Alle Dörfer Bleiben“ ein entschlossenes Zeichen für den Erhalt aller Dörfer weltweit.

Das Protestwochenende hat eindeutig bewiesen: 2038 ist kein Konsens! Zehntausende Menschen aus verschiedenen Gruppen, Organisationen und Bündnissen der Klimagerechtigkeitsbewegung haben an einem Strang gezogen und auf ihre jeweils eigene Art und Weise für den sofortigen Kohleausstieg und einen grundlegenden Systemwandel protestiert. Allen Spaltungsversuchen der Polizei und Teilen der Presse zum Trotz.

Doch all das hat auch sehr viel Geld gekostet. Leider konnten wir noch nicht alle dieser Kosten decken. Deshalb brauchen wir jetzt dringend Spenden – denn das Klima braucht keine Kohle, der Widerstand schon.

Spenden können einfach überwiesen werden (wie auch der Beitrag für Camp und Essen, falls ihr das vergessen habt)!

Ende Gelände
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Hinzu kommt, dass wir Geld für Anwälte und Rechtsberatung brauchen werden. Von denjenigen, die im Zusammenhang mit der Aktion rechtliche Probleme bekommen, wollen wir niemanden alleine lassen. Auch dafür kann an die die oben angegebene Kontoverbindung gespendet werden.

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Ausführlicher Aktionsbericht

Tag 1

Vormittags um 10 Uhr verließen der Pinke und Silberne Finger mit über 1.500 Aktivist*innen das Camp in Viersen. Zwei Stunden später folgten der Grüne und der Rote Finger mit 2.000 Menschen. Gleichzeitig reisten immer noch zahlreiche Menschen an, um durch Aktionstrainings gut vorbereitetet am Samstag in Aktion zu gehen. Die Polizei reagierte mit einer repressiven Taktik und schloss den Bahnhof Viersen für den gesamten Tag. Der Pinke Finger durfte nicht mit Bussen zu einer angemeldeten Mahnwache am Kraftwerk Niederaußem fahren, wo unter dem Motto #RWEWegbassen ein Rave stattfand. Stattdessen wurde Pink 12 Stunden lang am Bahnhof Viersen in brühender Hitze festgesetzt. Damit zeigte die Polizei NRW einmal mehr, auf welcher Seite sie steht: Sie verachtete völlig bewusst die Versammlungsfreiheit, um RWE zu beschützen. Trotzdem zeigte der Pinke Finger beeindruckendes Durchhaltevermögen und erreichte mit etwa der Hälfte seiner Aktivist*innen das Gut Asperschlag bei Niederaußem. Der solidarische Gutsbesitzer hatte EG eingeladen, auf seinem wunderschönen Hof zu übernachten und stand, verärgert darüber, dass die Polizei versuchte, seinen Besuch fernzuhalten, persönlich hinter dem Grill, um die Aktivist*innen mit einem abendlichen Snack zu begrüßen.

Der Silberne Finger fuhr mit Bussen nach Bedburg, wo die Polizei wiederum hunderte Aktivist*innen bei einer angemeldeten Mahnwache festsetze und eine Spontan-Demonstration Richtung Nord-Süd Kohlebahn nicht zuließ. Der silberne Finger wollte seinen Weg gegenüber der Polizei durchsetzen, wurde aber nach wenigen hundert Metern gekesselt. Die Aktivist*innen in Silber entschieden sich dann spontan, die Nacht in einer abseits gelegenen Unterkunft zu verbringen, um am Samstag von dort aus völlig unter dem Radar in die Aktion aufzubrechen.

Grün und Rot entschieden sich dafür, gar nicht erst zum Bahnhof Viersen zu laufen, sondern direkt den 10 Kilometer langen Fußweg zum Bahnhof Mönchengladbach zu gehen. Auf dem Weg dorthin wurde EG von begeisterten Anwohner*innen und Gastronom*innen lautstark begrüßt und mit Wasser und Nahrung versorgt. Der grüne Finger fuhr mit Zügen nach Rommerskirchen und ging von dort aus auf die Nord-Süd-Kohlebahn unmittelbar vor dem Kraftwerk Neurath. Von da an blockierte Grün für etwa 45 Stunden die komplette Versorgung von Neurath mit Kohle aus den Tagebauen.

Der rote Finger fuhr von Mönchengladbach nach Hochneukirch und wollte von dort aus in das von der Abbaggerung bedrohte Dorf Keyenberg fahren. Doch auch hier verhinderte die Polizei die Demonstration über mehrere Stunden hinweg. Erst als die Atmosphäre im Finger sich aufheizte und die Menschen ihrer Wut Ausdruck verliehen, wich die Polizei zurück und ließ die Aktivist*innen losziehen. Mit viel Party und großartiger Stimmung, trotz weiteren 6 Kilometer Fußweg, erreichte Rot spät abends Keyenberg. Ein ortsansässiger Landwirt hatte seine Fläche zum Campen angeboten, die nur wenige hundert Meter von der Grubenkante entfernt lag.

Spät abends hatten alle Finger die für sie am Abend vorgesehenen Orte erreicht. Während Grün bereits die Gleise blockierte, hatten die anderen drei sich in Position gebracht, um Samstags von verschiedenen Orten aus RWE in die Zange zu nehmen.

Tag 2

Früh morgens um 7 Uhr sammelte sich der Goldene Finger mit über 1.500 Menschen und fuhr über Viersen mit Bussen und Zügen nach Mönchengladbach. Auch hier verzögerte die Polizei die Anreise der Aktivist*innen zu einer von FfF angemeldeten Demonstration erneut über Stunden, weshalb die Demo nur mit Verspätung loslaufen konnte. Doch für die Schüler*innen von FfF kam es nicht in Frage, loszulaufen, bevor nicht alle EG-Teilnehmer*innen den Auftaktkundgebungsort erreichten. Schließlich ging die Demo mit 7.000 Menschen los und zog die nördliche Grubenkante des Tagebaus Garzweilers entlang. Dort verließ EG die Demo und ging wild entschlossen einige Ebenen in den Tagebau hinein. Dabei kam es zu Prügelorgien seitens der Polizei und gefährlichen Angriffen der RWE-Mitarbeiter*innen auf Aktivist*innen. Zeitweise wirkte es, als würde RWE den Protest von EG durch den lebensbedrohlichen Einsatz von Planierraupen und Gabelstaplern gegen Aktivist*innen stoppen wollen. Mehrere Aktivist*innen wurden mit Knochenbrüchen, Gehinerschütterung, Augenhöhlenbruch und Bauchtrauma durch den Einsatz von Schlagstöcken und minutenlanges Treten in den Bauch ins Krankenhaus eingeliefert. Die Polizei hat im Laufe des Wochenendes immer wieder Situationen unverhältnismäßig eskaliert und reihenweise Grundrechte gebrochen. Doch der goldene Finger blieb, folgte seinem Ruf und feierte in der nordwestlichen Ecke von Garzweiler eine riesengroße Party.

Während Gold im Norden blockierte, setzte Rot früh morgens seinen Weg von Keyenberg Richtung dem südwestlichen Ende des Tagebaus fort. Bei Immerath verließ der Finger die angemeldete Spontandemonstration und fächerte sich über hunderte Meter auf weiten Feldern auf. Die Polizei hatte trotz zweier Reiterstaffeln keine Chance, die Aktivist*innen hier zu stoppen. Nach fast 25 Kilometern Fußweg in gut 24 Stunden näherten die erschöpften Aktivist*innen sich endlich ihrem Ziel. Erst unmittelbar an der Abbruchkante konnten etwa zwei Drittel des roten Fingers in mehreren Polizeikesseln aufgehalten werden, während ein anderes Drittel es in mehreren Groß- und Kleingruppen in die Grube hineinschaffte.

Hier kam der bunte Finger ins Spiel. Zum ersten Mal in einer Massenaktion zivilen Ungehorsams gab es einen im Vorfeld angekündigten Finger für Menschen mit Rollstuhl, Menschen mit kleinen Kindern und für alle, die wegen Unterlassungserklärungen kein RWE Gelände betreten, aber trotzdem effektiv blockieren wollten. Mit Regenbogenflaggen und jede Menge Fröhlichkeit bewaffnet sammelte der bunte Finger sich an einer Mahnwache am südwestlichen Ecke von Garzweiler und blockierte just in dem Moment die Straße, in dem die Polizei dem roten Finger den Weg abschneiden wollte. Die war aber völlig überfordert angesichts der äußerst stabilen Blockade auf der Zufahrtsstraße zum Tagebau.

Gold besetzte Garzweiler im Norden, Rot im Süden, FfF zog die Kante entlang, während bei der Aktion „Platz nehmen“ von „Alle Dörfer bleiben“ hunderte Menschen aus der Region und Umgebung sich schützend zwischen Tagebau und Dörfer setzten. Die Klimagerechtigkeitsbewegung zeigte Samstag Nachmittag bei Garzweiler in aller Deutlichkeit ihre Einigkeit im gemeinsamen Kampf gegen die Kohle.

Währenddessen hatte Silber sich zunächst völlig unbemerkt auf den Weg zum Tagebau Hambach gemacht. Der Finger stieg am Bahnhof Merzenich aus und ging von dort aus schnurstracks auf die Hambachbahn. Dabei gingen die Aktivist*innen ruhig und besonnen vor und betraten erst das Gleisbett, nachdem sich bereits Polizei auf den Gleisen befand. Durch die gleichzeitige Blockade der Nord-Süd Bahn bei Neurath und der Hambachbahn bei Merzenich lag der Verkehr auf den Gleisen im rheinischen Revier zu diesem Zeitpunkt komplett still. Auch das andere Riesenkraftwerk im Revier, Niederaußem, war damit von allen Seiten blockiert. RWE musste vollständig auf seine Kohlereserven in den Bunkern und direkt bei den Kraftwerken zugreifen, denn die Infrastruktur war durch EG weitgehend lahmgelegt.

Tag 3

Spät in der Nacht bestätigte sich die Nachricht, dass es einigen Aktivist*innen sogar gelungen war, einen Bagger im Tagebau Garzweiler zu besetzen. Teile von Silber, Pink und Rot hatten sich inzwischen der Blockade vor Neurath angeschlossen. Durch die Nacht hinweg wurden Menschen zu diesem Punkt gebracht, um die Blockade zu verstärken. Gleichzeitig waren immer noch hunderte Aktivist*innen von Gold und Rot in der Grube, während die bereits Geräumten in einer Open-Air Gefangenensammelstelle am Tagebau Skywalk erkennungsdienstlich behandelt wurden.

EG hatte Samstagabend mit allen Strukturen gemeinsam entschieden, die Blockaden bis Sonntag um 10 Uhr aufrechtzuerhalten. Wir hatten uns im Vorfeld auf ein Aktionsbild verständigt, in dem Blockaden bis zu 2 Tagen geplant waren. Wir sagen, was wir tun und wir tun, was wir sagen. Nachdem wir Freitag um 10 Uhr in die Aktion gestartet waren, wollten wir Sonntag um 10 Uhr die Aktion wieder beenden. Allerdings suchte die Polizei offensichtlich noch einen Grund für Abschreckungsmaßnahmen und kesselte, entgegen ihrer Zusicherung vom Vorabend, die Aktivist*innen um 9 Uhr morgens ein. Eine Stunde, bevor die Blockaden freiwillig geräumt werden sollten. Dabei prügelten Polizist*innen erneut wahllos auf Aktivist*innen ein, welche lediglich die Gleise verlassen wollten. Den Grund für diese Maßnahme kennen wohl nur die Gesamteinsatzleitung und das Innenministerium. Die Polizei musste jedenfalls im Laufe des Tages alle Menschen im Grünen Finger aus dem Gewahrsam entlassen. Die Rekordblockade wurde dadurch noch um einige Stunden verlängert – insgesamt war Neurath etwa 45 Stunden lang blockiert.

Das Aktionswochenende endete damit, dass nach und nach alle Blockierer*innen und Gefangenen ins Camp zurückkehrten und unter großem Jubel empfangen wurden. Die Stimmung im Abschlussplenum und auf der anschließende Party kochte. EG hat das schier Unmögliche möglich gemacht und von einem weit entfernten Camp-Ort aus Blockaden mit tausenden Menschen an mehreren unterschiedlichen Stellen im rheinischen Revier gleichzeitig errichtet. Allen Spaltungsversuchen zum Trotz agierten die verschiedenen Bewegungsspektren an diesem Wochenende mit großer Solidarität und Geschlossenheit. Aus diesem Wochenende schöpft die Klimagerechtigkeitsbewegung jede Menge Kraft, die zurück in alle lokalen EG- und Klimagruppen fließen wird. Damit wir noch stärker und noch größer werden für den sofortigen Kohleausstieg und ein Ende des kapitalistischen Zeitalters.


News

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Newsletter #10/22

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Leitfaden zu Zivilem Ungehorsam für trans*, inter*, non-binäre und agender (= TINA) Menschen jetzt online

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